11. Juli 2021

Kalt wie Schnee, hart wie Eisen

Kapitel 6 -7

Guten Morgen allerseits! Heute erreichen wir tatsächlich schon das Ende von Teil 1. Nächste Woche geht es dann mit der zweiten Hauptfigur weiter: Laurien. Aber keine Sorge, Kanemô wird nicht lange verschwinden. Im Gegenteil, sie wird in gewisser Weise doppelt erscheinen … Mit dieser gemein kryptischen Weissagung überlasse ich euch jetzt der Geschichte und wünsche euch viel Vergnügen!

*

*

6.

Als Kanemô morgens auf die Veranda vor dem Haus trat, schlief Sagrik dort im Sitzen. Obwohl die Äste unter ihren Füßen nur leise knarrten, erwachte er sofort und wischte sich über den Mund.

„Herrin! Es freut mich, Euch wohlauf und ausgeruht zu sehen. Konntet Ihr ein wenig schlafen?“

Kanemô antwortete nicht, sondern ließ den Blick über den See und die Hütten schweifen, die auf ihm trieben. Junges Tageslicht fiel durch die Gesteinsspalten weit oben. Die letzten Stunden schienen wie im Traum verflogen zu sein. Sie hatte dagesessen und sich an die neue Leere in sich gewöhnt, während Liotans Ratschläge an ihr vorbeigeplätschert waren. Diese Leere … Sie ließ nicht einmal Platz für Worte, um sie zu beschreiben. Kanemô fühlte sich so leicht.

Sie wandte sich Sagrik zu: „Ich habe es getan.“

Der Bibliothekar rappelte sich auf. Sein Gesicht wirkte durch das Lächeln noch hässlicher. „Ihr seid wahrlich eine Tochter von Ivenhall, Herrin von Bestien! Was gedenkt Ihr als Nächstes zu tun?“

Sie fragte sich, ob Liotan ihn tatsächlich nicht eingeweiht hatte oder ob er sich nur ahnungslos stellte wie so oft. Da sie schwieg, nickte er schließlich mit einem verschwörerischen Funkeln in den Augen.

„Ich habe die Esel schon bereit machen lassen und die Taschen mit Proviant gefüllt“, sagte er. „Nun will ich Euch den Weg nach Ofeha zu Fürst Korigan erklären, damit die Rebellen Euch unterwegs aufgreifen. Ein Stück weit kann ich Euch begleiten, ehe unsere Wege sich trennen …“

„Ich werde nicht zu Fürst Korigan reiten“, unterbrach sie ihn. Ihr missfiel, dass offensichtlich alles von Liotan und Sagrik im Vorfeld geplant worden war. Aber jetzt hatte sie das Gift … jetzt konnten Liotan und Sagrik nicht mehr bestimmen, was sie tat. Das Bewusstsein um ihre neue Macht kitzelte sie wie eine Frühlingsbrise. Sie musste sich an so viel Neues gewöhnen.

Sagrik maß sie misstrauisch. Er erwartete eine Erklärung.

„Die Rebellen werden im Mondtempel nach mir suchen. Wenn ich nicht dort bin, werden sie die Priesterinnen foltern und womöglich töten.“ Während sie das sagte, wusste sie, dass ihre Entscheidung richtig war, aber sie fühlte die Richtigkeit nicht. Wie seltsam!

„Aber der Weg zurück durch die Marschen ist trügerisch. Ihr solltet ihn nicht allein auf euch nehmen. Und ich muss in die andere Richtung … Was hat Liotan dazu gesagt?“

„Fragt sie selbst. Wir sehen uns im Palast von Ivenhall.“

Er deutete eine Verneigung an. „Ich werde einen Weg finden, zu Euch zu gelangen. Ich werde anders aussehen als jetzt, aber Ihr werdet mich erkennen.“

Das hatte auch Liotan ihr versprochen. Sie nickte. „Bringt mich zu meinem Esel. Ich will keine Zeit verlieren.“

Sagrik schien unentschlossen. Bestimmt hätte er lieber zuerst mit Liotan abgesprochen, ob Kanemô im Mondtempel auf die Rebellen warten sollte anstatt sich auf dem Weg zu Fürst Korigan aufgreifen zu lassen. Aber Kanemô kletterte bereits auf das Floß. Ergeben folgte er ihr und brachte sie zum Ufer.

Die Esel waren neben dem Gestrüpp angebunden, durch das sie gestern gekommen waren. Wie viel sich in dieser einen Nacht verändert hatte! Kanemô war nicht mehr dieselbe. Aber sie empfand keine Angst – vor nichts.

„Ich begleite Euch noch durch die Stadt“, erklärte Sagrik.

Kanemô schüttelte den Kopf und deutete auf seinen Dolch, den sie sich in den Gürtel gesteckt hatte. „Ich danke Euch für Eure Treue. Und dass Ihr mich hergebracht habt. Bis bald.“ Sie schwang sich auf ihren Esel. „Verzeiht, dass ich Euch verletzt habe.“

Er tastete nach der Schramme an seinem Hals, und fast schien es, als würde er erröten. Kanemô erkannte mit einem Mal, dass er noch nicht alt war. Man hätte ihn fast noch als jungen Mann bezeichnen können.

„Ihr müsst mich nicht um Verzeihung bitten“, sagte er leise. „Ich bin Euer Diener, Herrin.“

Ihr fiel nicht ein, was sie darauf erwidern sollte. Sie gab dem Esel die Rute und ritt durch den Vorhang aus Dickicht, den Sagrik ihr aufhielt, davon.

Sie verließ den Schädelberg und folgte derselben Straße, die sie gekommen war. Das Land schien wie erstarrt in Frost und Herbstnebeln und ebenso kalt fühlte es sich in ihr an. Nachts schlief sie, ohne ein Feuer zu entfachen, an ihren Esel gekuschelt. Die Finsternis und die Einsamkeit machten ihr nichts aus. Sie dachte an Letanna und Perasia, die sie nun doch wiedersehen würde, so wie es ihr größter Wunsch gewesen war, aber es bedeutete ihr nichts mehr. Sie dachte auch an ihre Zukunft. Sie sah die Thronhalle vor sich, den grünen Marmorpalast, in dessen Mitte der Eisenturm in den Himmel ragte, voll von wundersamen Bestien. Die majestätischen, aufrecht sitzenden Werkatzen, die den Zauberkessel bewachten, und die beiden Drachen, die nur so taten, als würden sie um den Turm geschmiegt schlafen, einer goldschwarz mit roten Hörnern, der andere grau mit blauem Bauch, die Farben eines stürmischen Himmels. Und der Zauberkessel …

Sie träumte, dass sie auf einer Werkatze ritt und mit dem mächtigen Geschöpf die Rebellen bekämpfte. Die Bestie machte riesige Sprünge, zerriss ihre Feinde, und Kanemô hielt sich an der Mähne fest. Doch dann flogen zwei Speere aus verschiedenen Richtungen auf sie zu und drangen in ihre Brust ein. Sie waren so kalt. Kanemô blickte an sich herab und sah die Hände der Zwergin, die in ihr wühlten. Unter ihrem Blick verwandelten sich die Hände in flatternde Vögel, und sie wusste, die Vögel würden fliegen, wenn ihre Flügel nicht mehr gebrochen waren … Als sie im Zwielicht des neuen Tages erwachte, hielt sie das borstige Haar ihres Esels umklammert, der es gutmütig hinnahm. Sie empfand ein Ziehen in der Brust und befühlte die Narbe. Es war eher ein angenehmes Gefühl, so wie die Erschöpfung, wenn man lange geweint hatte.

Sie setzte ihre Rückreise fort. Noch immer rasteten die Zugvögel in den Wiesen. Kanemô sog tief die kalte Luft ein und stieß einen Schrei aus. Aberhundert Gänse und Kraniche flatterten auf. Es sah aus, als würde der Himmel in Scherben zerfallen. Kanemô schrie noch ein zweites und ein drittes Mal. Sie würde das Reich ihrer Väter zurückerobern. Sie, sie, sie! Aber so befreiend es war, die Weite des Landes mit ihrer Stimme zu füllen, sie empfand dabei nicht die erwartete Freude. Ganz so, als sei sie gegen sich selbst blind und taub geworden.

In der Abenddämmerung des vierten Tages erreichte sie die Klippen am Meer, in die der Mondtempel gehauen war. Der Tempel kam ihr kleiner vor – er war wirklich nur ein winziges Grinsen im Gesicht der Küste.

Etwas ferner sah sie eine Reihe von Schatten an der Küste entlangpreschen. Reiter. Das mussten die Rebellen sein! Sie trieb den Esel zum Trab an.

Die Männer des Königsmörders galoppierten auf ihren Schlachtrössern geradewegs durch die Halle des Mondtempels, die kein Unbefugter betreten durfte, erst recht kein Krieger zu Pferd. Die zwölf schwarz verschleierten Priesterinnen, angeführt von der Hohepriesterin Madurahan, standen reglos in der Mitte und ließen sich von ihnen umkreisen.

Kanemô glitt von ihrem Esel – und erstarrte im Schutz der Klippen, als sie sah, wie die Männer den Priesterinnen die Schleier vom Kopf rissen. Nacktes Entsetzen stand den Frauen in die Gesichter geschrieben. Die meisten waren seit ihrer Kindheit nicht mehr von einem Mann erblickt worden. Für eine Priesterin gab es kaum etwas Entwürdigenderes.

„Die Prinzessin“, forderte der Anführer der Männer. Sein Rüstzeug schien von einem Schlachtfeld zusammengeklaubt. Er hatte, wie alle Männer, einen langen, schmalen Zopf entlang seiner linken Schläfe und rote Flicken auf seinem Umhang. Es mussten Erkennungsmerkmale der Rebellen sein.

Madurahan musterte ihn, dann seinen Rappen, von dessen Maul Schaum troff. Langsam hob sie die Arme und die silbernen Geschmeide an ihren Gelenken klirrten aneinander. „Ihr entweiht heiligen Boden. Seid verflucht! Verflucht sei euer Königsmörder! Agh –“

Der Anführer hatte sich vom Pferd geschwungen und Madurahan an der Kehle gepackt. „Wo ist die Prinzessin?“, wiederholte er an die Priesterinnen gewandt.

Madurahan würgte. Ihre Zehenspitzen schrammten über die Steinfliesen.

„Die Prinzessin ist nicht da“, stieß eine der Priesterinnen aus. „Sie ist vor acht Tagen verschwunden – wir wissen nicht, wohin. Das schwöre ich.“

Kanemô stieg die Außenstufen des Tempels empor. „Sie ist wiedergekommen.“

Alle drehten sich zu ihr um. Sie schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück, um sich zu zeigen. Der Anführer der Männer ließ Madurahan los, die nach Atem ringend in die Arme ihrer Priesterinnen fiel. Der Krieger trat auf Kanemô zu. Unter ihrem Umhang schloss sie die Faust um den Dolch, wohl wissend, wie aussichtslos ein Kampf wäre, wenn der Krieger sein Schwert zog.

Doch er packte sie nur am Arm und schlug ihren Umhang zurück. Sie holte mit dem Dolch aus, aber er verdrehte ihr lässig das Handgelenk, sodass die Waffe auf den Boden klapperte. Kanemô stöhnte auf. Schlimmer als der Schmerz war, wie schamlos der Mann seine Finger in ihr Gesicht drückte, um ihre Ohren zu mustern. Als er überzeugt schien, dass sie diejenige war, die er suchte, zog er sie hinter sich her und hob sie auf sein Pferd.

„Hoffnungslos“, krächzte Madurahan. Erst klang es, als würde sie wehklagen, doch es war ein raues Lachen. „Euer Plan ist hoffnungslos! Der Königsmörder bleibt ein Mörder, ein aufständischer Bauer, ganz gleich, ob er sein Köterblut in königliches Blut mischt. Und wir werden jeden Tag und jede Nacht unseren Fluch um euch dichter weben!“

„Das hättest du nicht sagen sollen. Ich bin abergläubisch.“ Der Krieger zog sein Schwert. Das Licht glitt über die Eisenklinge. Blitzschnell holte er aus und schlug Madurahan mit einem einzigen Streich den Kopf ab.

Kanemô fühlte warmes Blut auf ihr Bein spritzen. Die Priesterinnen schrien entsetzt auf. Dann schwang der Krieger sich hinter Kanemô in den Sattel und drückte sie an sich. Seine nach Schweiß, Leder und Eisen riechende Nähe verursachte ihr Übelkeit. Der Reiter gab seinem Ross die Sporen und sie preschten los.

Kanemô sah nicht zurück. Während sie auf dem gewundenen Weg die Küste entlanggaloppierten – das tobende Meer unter sich, die nackten Felshänge über sich –, dachte sie daran, dass sie Letanna und Perasia nicht gesehen hatte. Und vermutlich nie wiedersehen würde. Aber es tat nicht mehr weh. Wenigstens hatte sie verhindert, dass die beiden Novizinnen und der Rest der Priesterinnen von den Rebellen getötet wurden. Nur Madurahan hatte sie nicht retten können.

Doch auch das tat nicht weh.

*

*

7.

Fünf Tage ritten sie durch das karge Hochland, vorbei an Dörfern, die nur aus einer Handvoll Hütten und Äckern bestanden, und folgten dann der Königsstraße durch die düsteren Tannenwälder von Odia. Ihre Ruhepausen dauerten immer nur ein paar Stunden – gerade lang genug, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Niemand richtete ein Wort an Kanemô. Die Männer vermieden sogar, sie anzusehen. Sie war die Braut ihres Herrn; ein kostbarer Gegenstand, den man besser nicht zu lange betrachtete.

Kanemô aber musterte die Männer. Sie wirkten nicht wie Bauern, sondern eher wie Ritter. Ihr Anführer – die anderen nannten ihn Gerothen – schien sogar ein Fürstensohn zu sein, zumindest entnahm sie das den Gesprächen. Groß und stark war er, und mit seinen klaren Gesichtszügen ähnelte er mehr als Sagrik dem Ritter, von dem sie früher geträumt hatte. Dennoch hätte sie eher Sagrik geheiratet als in ihn, und Gerothen schien fest entschlossen, überhaupt nichts für sie zu empfinden außer eine Art Besitzerstolz.

Als sie sich der Königsstadt näherten, bemerkte Kanemô die Spuren des Krieges. Geplünderte Siedlungen säumten die Straße. Aus den Trümmern von Häusern stiegen Rauchfahnen. Der Rauch übertünchte jedoch nicht überall einen noch abstoßenderen süßlichen Geruch. Krähenscharen und Hunde stritten sich auf den Feldern um Beute, die Kanemô gar nicht so genau erkennen wollte. Zum Glück begann Schnee zu fallen und begrub die Wahrheit gnädig unter sich. Der erste Schnee des Jahres … Die Priesterinnen hatten ihn immer mit einem besonderen Ritual empfangen. Kanemô legte leicht den Kopf zurück, damit die Flocken ihre Stirn segneten.

Der Winter frisst das Jahr. Der Tod ist eine Reinigung.

An diesem Abend kehrten sie in einem großen Gasthof auf einem Hügel ein, von dem aus man die Stadt Ivenhall und den Eisenturm des Palasts auf den Felsen bereits sehen konnte. Der Eisenturm schien von seinem höchsten Punkt Nebel auszuatmen, der sich mit den violett leuchtenden Wolken mischte. Benutzte etwa jemand den Zauberkessel?

Der Gasthof war wohl von den Kämpfen verschont geblieben. Doch Kanemô glaubte, durch die verschlossenen Türen der Kammern im Obergeschoss das Stöhnen von Verwundeten zu hören.

Sie wurde bereits erwartet. Ein Dutzend Krieger mit den roten Flicken der Rebellen an den Umhängen bewachten das größte Zimmer des Hauses. Zwei Damen befanden sich darin, die eine nur wenig älter als Kanemô, die andere bereits grauhaarig, doch beide hatten so weiße Haut und so feine Hände, dass sie ihr Leben sicher im Palast verbracht hatten. Sie stellten sich mit einem Knicks vor und begannen Kanemô zu entkleiden und zu waschen.

Jede ihrer Berührungen ist angsterfüllt, dachte Kanemô. Sie haben Angst, dass ich anfange zu weinen. Dass ich sie um Hilfe anflehe.

Ruhig ließ sie alles über sich ergehen. Sie bekam ein Nachthemd übergestreift und ein Abendmahl serviert: geröstete Wachteln, Fladenbrot aus gesiebtem Mehl, eingelegte Eier, Birnenkompott und aus klebrigen süßen Fäden gedrehtes Sesamkonfekt. Die Edelfrauen rümpften über die Qualität die Nase, doch Kanemô, die in den letzten Tagen nichts als Trockenfleisch und Zwieback zu sich genommen hatte, aß mit Appetit. Sie merkte, dass die Frauen sich darüber wunderten – nicht nur, weil sie offenbar delikatere Speisen gewohnt waren. Angesichts der Umstände wirkte Kanemô erstaunlich gelassen. Aber bestimmt brachten die Frauen das nicht mit der sternförmigen Narbe in Verbindung.

Sie teilten sich das große Bett. Kanemô lag lange wach. Die harte Erde, auf der sie die letzten Tage geschlafen hatte, war ihr lieber gewesen als das weiche Daunenzeug. Auch im Mondtempel war ihr Schlaflager einfach gewesen – nur eine strohgefüllte Matratze und eine gesteppte Wolldecke. Doch nun kehrten alte, fast vergessene Erinnerungen an ihre Kindheit im Palast zurück. Seidene Bezüge, ein mit Sternen bestickter Baldachin über dem Bett aus lackiertem Holz, Wandteppiche, die Märchenszenen zeigten. Der Duft von Zimtbrötchen, wenn sie erwachte, und das leise Klirren von Silberbesteck, das neben ihren Teller gelegt wurde. Ihre Mutter, die morgens immer sehr vorsichtig umarmt werden musste, damit Puder und Lippenrot nicht auf die Kleider abfärbten. Ihre Mutter, die in all ihrer Schönheit und elfischen Anmut fast so einschüchternd und Furcht einflößend gewesen war wie der König mit seinen Bestien.

„Mein süßer Knopf“, hatte sie gesagt und Kanemôs Gesicht in ihre Hände genommen – große, schmale Hände, die sich wie fließender Marmor angefühlt hatten. „Mein Perlmuttknopf! Ich möchte dich an meinen Kragen nähen, genau hierhin.“

Sie hatte auf die Kuhle über ihrem Schlüsselbein gewiesen, Kanemô hatte diese Kuhle mit ihren ungeschickten Kinderfingern berührt und sie hatten beide gekichert.

Mein Knopf. Kanemô hätte sich kaum eine höhere Auszeichnung denken können, als den Kragen der Herrin Iriobal zu zieren. Seit ihrem Verschwinden hatte sie Kanemô nie geschrieben. Vielleicht hatte König Sagamenon sie ja auch ermorden lassen. Kanemô war erst sechs gewesen, aber sie hatte mitbekommen, dass man der Königin vorwarf, im Auftrag der Hohen Elfen von Madgar Yhs die letzten Drachen vergiftet zu haben. Vielleicht stimmte es.

Am nächsten Tag wurde Kanemô erneut gewaschen, diesmal mit einer Mischung aus Honig, Milch und Wasser. Die Hofdamen rieben sie anschließend mit duftenden Ölen ein: Rosenöl aus dem Königreich Nekra für Hände und Füße, Orangenblütenöl aus den Inselterritorien für Hals, Nacken und Brust, Pinienöl aus den östlichen Fürstentümern für die Innenseiten ihrer Schenkel. Sie kämmten ihr Haar, bis es in glänzenden Wellen über ihren Rücken fiel, und flochten Perlen in die Strähnen, die ihr Gesicht umrahmten. Geschliffene Edelsteine wurden ihr an die Ohren gehängt, eine schwere Silberspange um den Hals geschlossen, von der weiße Opale baumelten. Eine zierliche Kette aus Gold verband die Spangen um ihre Fußgelenke, damit sie nur kleine, anmutige Schritte machen konnte – die Schritte einer Braut, die sich mit Zögern dem Altar nähert.

Mehrere Gewänder standen zur Auswahl. Die Hofdamen entschieden sich, ohne Kanemô um ihre Meinung zu fragen, für ein blassviolettes Kleid mit hellblauer Schleppe und Zierbahnen aus dunkelblauem Samt, die abwechselnd mit Perlen besetzt und feinem Goldfaden durchwirkt waren.

„Wie hübsch sie ist“, sagte die ältere Hofdame, als alles getan war. „Was für ein schönes, seltenes Gesicht!“ Sie streichelte Kanemôs Wange und erlaubte sich ein trauriges Lächeln.

So herausgeputzt wurde Kanemô aus dem Zimmer geführt. Vor dem Gasthof stand eine goldbeschlagene Kutsche mit einem Kuppeldach und vier weißen Pferden bereit. Ein Speer ragte hinten heraus, auf dem der Kopf einer Werkatze steckte.

Kanemô hatte, seit sie zum Mondtempel geschickt worden war, keine Bestie mehr gesehen. Sie starrte den Kopf an, der so schwer wirkte wie ein Weinfass. Die weiße Mähne und das kupferfarbene Fell waren blutverkrustet. Obwohl die Schnauze aufgerissen war und die Reißzähne entblößt, hatte ihr Antlitz etwas erschreckend Menschliches. Ein kluger, unheimlicher Geist schien selbst jetzt, im Tod, noch in ihren Smaragdaugen zu blitzen.

Die Legende besagte, die ersten Werkatzen seien Hexen gewesen, die die Zauberkraft des Nebels nutzten, um in die Körper von Löwen zu schlüpften und Morde zu begehen. Doch als Löwen vergaßen sie, wie sie sich zurückverwandeln konnten, sodass sie für immer Mischwesen im Nebel blieben. Es gab für alle bekannten Bestien eine Legende, und die meisten handelten von Hexen, die vor den Königen Ivenhalls Zauberei gewirkt hatten. Ob die Hexen alle vom Kleinen Volk abstammten?

Kanemô trat näher, streckte die Hand aus, um den Werkatzenkopf zu berühren. Doch der Anführer der Männer, Gerothen, zog sie zurück und schob sie in die Kutsche.

„Ihr wollt Eure hübschen Kleider doch nicht beschmutzen“, mahnte er.

Kanemô bemerkte die Unsicherheit hinter seinem Grinsen. Obwohl die Bestie tot war, fürchtete der Rebell immer noch, dass ihr königliches Blut irgendeine Macht über sie ausüben konnte.

Die Hofdamen saßen bereits in der Kutsche und nahmen Kanemô unter eine weiße Felldecke. Sie fuhren los.

Als sie sich Ivenhall näherten, wurde der Gestank immer unerträglicher. Scheiterhaufen loderten auf den Feldern und pusteten Ascheflocken in den Schnee. Kahl rasierte Krieger in roten Flickenumhängen und zerlumpte Gestalten ohne Waffen waren damit beschäftigt, Leichen in die Feuer zu werfen. Wagen um Wagen von Toten wurden aus der Stadt gebracht. Natürlich wagte niemand, die Gefallenen zu begraben. Es hieß, gewaltsam Gestorbene brächten Unruhe in die Erde und sorgten für schlechte Ernten.

„Macht Platz!“, brüllte Gerothen, der der Kutsche voranritt. „Macht Platz für Prinzessin Kanemô, die Braut von König Heganen!“

Heganen. Sie hatte die Männer diesen Namen sagen hören, doch erst jetzt begriff sie, dass er der Königsmörder war. In ihrer Vorstellung tauchte für einen Moment der Umriss eines Mannes auf – eines Mannes, so echt und lebendig wie sie selbst –, und etwas drückte auf ihre Brust, das Angst sein müsste, wenn es nicht sofort wieder verschwunden wäre. Alles, was blieb, war ein Gefühl von Leere, als wäre da ein Loch in ihr. Instinktiv legte sie eine Hand über die Narbe, die Liotan ihr zugefügt hatte.

Sie überquerten den Katzenrachen – die Schlucht, die die Stadt umgab – über eine der Brücken, die heil geblieben waren. Kanemô reckte sich, um hinabzublicken. Aus der Tiefe unter ihnen ragten Felsspitzen und karge Nadelbäume herauf. Wo der Nebel in Fetzen vorübertrieb, konnte man das Wasser glitzern sehen, das auf dem Grund der Schlucht floss und sich später in die Iven teilte, die durch das ganze Land strömten.

Das massive Stadttor war zerstört. Sie holperten über Schlaglöcher, wo Steine aus der Straße herausgerissen worden waren, vermutlich um sie als Waffen zu benutzen. Elfische und menschliche Krieger zu Fuß und zu Pferd empfingen sie, dazu Musikanten mit Trommeln, Flöten und Rasseln. Und Kinder.

Die Kinder waren wie Hochwohlgeborene gekleidet, doch Kanemô bezweifelte, dass die Rebellen jemanden aus den Familien am Leben gelassen hatten, in denen königliches Blut floss, egal wie verdünnt. Schließlich war es schon vorgekommen, dass aus den adeligen Häusern ein neuer König hervorgegangen war, der Bestien beherrschen und aus dem Nebel führen konnte, weil seine Verwandtschaft mit den Vorvätern Ivenhalls eng genug war. Kanemô musterte die Kinder: Hüte aus weißem Kaninchenfell und gelbe Umhänge für die Mädchen, schwarze Marderpelzmützen und rote Umhänge für die Jungen. Sie wirkten ein wenig abgemagert unter den feinen Gewändern, und obwohl sie mit ernsten Mienen vor der Kutsche hergingen und getrocknete Rosenblätter auf den Weg streuten, hatten die Mädchen nicht die anmutige Haltung in Verbindung mit den kleinen Schritten, die einer Adelstochter von früh an anerzogen wurden.

Die Blumen sehen aus wie Blutkrusten, dachte Kanemô. Wenigstens passte das zu den Umständen.

Der Weg durch die unteren Viertel war trostlos, selbst auf der Königsstraße. Nach der Eroberung der Rebellen sah es hier jedoch kaum schlimmer aus, als Kanemô es in Erinnerung hatte: Bei den Behausungen aus Holz und Lehm, die wie Schwalbennester an den Felsen klebten, hatte es immer schon aus schiefen Kaminen geraucht und sie hatten nach Verfall ausgesehen. Wenn überhaupt, hatten die Bewohner vermutlich vom Krieg profitiert. Mehrere Gestalten, die einen Umhang der königlichen Garde zu tragen schienen, huschten auf den steilen Treppen umher.

Etwas weiter oben, wo die Straßen gepflastert waren und die Häuser Fenster hatten, tummelte sich das Bürgervolk. Die Hofdamen nahmen die Decke von Kanemôs Schultern, damit man sie besser sehen konnte, und zupften hier und da an ihren Kleidern und Haaren. Kanemô wagte sich nicht zu rühren. Wie die Leute sie anstarrten – als wäre sie die Verräterin!

Die Königsstraße führte an Bogengängen vorbei, in denen bisher Märkte stattgefunden hatten und die nun ausgebrannt waren. Weiter oben, in den Adelsvierteln, sah es noch schlimmer aus. Die Villen waren niedergebrannt, die Steinmauern weggerissen, sogar die Bäume abgefackelt oder für Brennholz gefällt. Dass von den Reichen und Mächtigen vermutlich niemand überlebt hatte, war ein befremdlicher Gedanke.

Endlich fuhren sie durch das Palasttor. Die Kutsche kam im großen Hof zum Stillstand, direkt vor dem gigantischen Eisenturm, der halb Kristall und halb geschmolzenes Wachs zu sein schien. Rebellen, Dienerinnen und Arbeiter erstarrten in ihrer Geschäftigkeit. Kanemô hielt den Atem an. Sie erkannte alles wieder. Die breite Treppe, die ins Innere des grünen Marmorpalasts führte. Die spitz zulaufenden, hohen Torbogen und Fenster. Nur wehten nicht die Fahnen mit den Wappen ihrer Vorväter von den Dachfirsten, sondern rote Fetzen der Rebellen. Doch was war schon ein bisschen Stoff, der im Wind flatterte? Die Steine darunter währten bereits Jahrtausende.

Kanemô stieg aus der Kutsche. Zehn Jahre. Nun war sie endlich zu Hause.

geschrieben von Jenny-Mai Nuyen - Veröffentlicht in Blog

Kommentare

14 thoughts on “Kalt wie Schnee, hart wie Eisen

  1. Spannend, welche Wendung sich hier ergeben hat, und welche Seiten man in diesem Abschnitt an Kanemô kennenlernt! Auch klingt es super aufregend, dass ein zweiter Charakter die Geschichte betreten wird, der eine größere Rolle einnimmt. Ich bin gespannt, wie viel Raum die neue Figur bekommt – ich finde, sowas bietet viel gestalterischen Raum und erweitert natürlich die Perspektive. :)

  2. Liebe Jenny,
    ich habe bisher mit großer Begeisterung mitgelesen. Ich glaube es ist ein gutes Zeichen, dass ich etwas traurig bin, dass es nicht mit Kanemô weitergehen wird in den nächsten Kapiteln. ;) Aber ich freue mich auch auf die neuen Sichtweisen. Für mich stimmt einfach alles an dieser Geschichte und ich finde es total schön, sie so episodenhaft Stück für Stück zu erleben. Vielen Dank dafür!
    Liebe Grüße
    Carina

  3. Guten Abend :)
    es freut mich jedes Mal aufs Neue, wenn du so lieb auf meine Kommentare reagierst.

    Den Eindruck hatte ich auch die ganze Zeit, dass Kanemô sich selbst immer wieder sagen muss, was sie in den einzelnen Momenten zu fühlen hätte. Es wirkte manchmal auch so, als wollte sie auf diese Weise die Leere ein wenig füllen. An anderer Stelle verstand ich sie dann eher wieder so, dass sie sich schon mit der Situation angefreundet hat. Ein wenig ambivalent, aber das liegt wahrscheinlich noch an der neuen Situation an sich.
    Ich sehe schon, ich werde den Roman wohl in einem Zug durchlesen müssen. Gut, dass in NRW dann immer noch Sommerferien sind! ;-)

    Das ist es nämlich. Das wären jetzt Stellen, an denen ich auf keinen Fall aufhören würde, sondern weiterläse. Aber so ist es nun einmal, immerhin bekommen wir so überhaupt schon etwas früher einen Vorgeschmack – und können darüber sogar noch ins Gespräch kommen. Was mich wirklich freut, da ich mir ansonsten in meinem stillen Kämmerlein so meine Gedanken mache, ohne sie mit jemandem zu teilen. Das finde ich immer etwas schade, gerade wenn ich einen Satz, eine Passage, ein Kapitel oder gar einen ganzen Roman feier.

    1. Ja, so geht es mir ja auch! Man schreibt so vor sich hin und macht sich Gedanken und fragt sich, ob irgendwann ein Leser ähnliche Gedanken haben wird. Eigentlich wäre es sogar noch sinnvoller, den Text hochzuladen, an dem ich gerade arbeite. Aber an dem werde ich vermutlich noch so viel ändern, dass ich mich im Nachhinein schämen werde, ihn in einem Frühstadium hergezeigt zu haben. Wobei … Mit ein paar ausgesuchten Testlesern könnte man das Risiko schon einmal wagen!
      Ich würde im Herbst gern den nächsten Fantasyroman vorab hier reinstellen, aber danach mache ich das vielleicht mit einem noch unfertigen Roman. So im Dezember. Und da im März Abgabe ist, hätte ich noch drei Monate Zeit, um Kritikpunkte von Lesern aufzunehmen.

      1. Das hört sich doch nach einem sehr gut überlegten Plan an. Und es wäre wirklich eine spannende Reise für dich und deinen dann neuen Roman. Ich würde dann gerne wissen, wie viel sich dadurch womöglich geändert hat.

        An der Testlese-Aktion im Herbst würde ich auf jeden Fall auch wieder mitmachen. :)

  4. Wow, dass ist fantastisch geschrieben und so spannend zu lesen. Freue mich sehr auf das Buch. Bin leider keine gute Schreiberin, darum wird es auch nur kurz. Danke fürs Lesen. Schönen Sonntag 🥰👋

    1. :) Ich freue mich, dass du mitliest! Und natürlich, dass es dir bis hierhin gefällt. Dir auch einen schönen Sonntagabend!

  5. Kanemo ist ein unglaublich interessanter Charakter. Sie verkörpert “Ich kann mich in sie reinfühlen und ihre Gedanken nachvollziehen” genauso wie “Was zum *** tut sie da?”. Diese Mischung lässt sie real und einzigartig wirken. Ein wirklich gelungenes Charakterbild. Die Ehrfurcht, die ihr entgegengebracht wird, weil sie die Braut des Herrschers ist, ist förmlich zu spüren, was sie unglaublich stark und mächtig erscheinen lässt. Ich bin sehr gespannt, wie Kanemos Geschichte weitergeht und endet.

    1. Hallo Marit!
      Ja, meine liebsten Kanemô-Szenen kommen eigentlich noch! Aber erstmal ist in den nächsten Kapiteln Laurien dran, die zweite Hauptfigur, die vermutlich leichter zu lieben und zu verstehen ist als Kanemô. Aber beide jungen Frauen verkörpern etwas, das ich im Rückblick in mir selbst als Teenager erkenne, und was vermutlich viele von uns in ihrer Jugend durchgemacht haben. Die eine wird hart aus Schwäche, die andere schwach aus Härte. Und irgendwie müssen beide einen Weg durch ihre Gefühle (oder den Mangel daran) finden.
      Ich bin gespannt, was du nächste Woche von Laurien halten wirst!

  6. Puh… Ich stimme Luc absolut zu: Du hörst hier mal wieder absolut ungünstig auf. Cliffhanger beherrschst du wirklich wie kaum eine Andere! Und dann immer wieder diese kryptischen “Spoiler” – da wird man ja wahnsinnig. Wahnsinnig vor unbändiger Vorfreude.

    Mir gefällt insbesondere im 6. Kapitel, dass du mit vielen Paradoxa arbeitest, die womöglich noch diese Anfangsphase der Leere prägen sollen. Sie geht nun ihren eigenen Weg, was ich erstmal als positiv bezeichnen würde. Sie hat sich von für sie geplanten Wegen verabschiedet und nimmt die Zügel (im wahrsten Sinne des Wortes) selbst in die Hand. Ja, sie widersetzt sich nun direkt den Entscheidungen, die andere (Liotan (und Sagrik)) für sie bereits gefällt haben. An letzte Woche denkend könnte man von außen betrachtet tatsächlich den Eindruck gewinnen, sie würde noch ihrem Herz folgen; war es doch ihr größter Wunsch Letanna und Perasia wiederzusehen. Diesen Weg schlägt sie nun ja auch ein. “Nachts schlief sie, ohne ein Feuer zu entfachen, an ihren Esel gekuschelt.” Sie lebt mit der Einsamkeit und der inneren Kälte. Kuschelt sich dann aber an ihren Esel. Ich finde dieses Bild gerade einfach sehr paradox, wenn du verstehst, was ich meine. Diesen augenscheinlichen Herzenswegen wird jedoch immer wieder antithetisch gegenübergestellt, dass das alles für sie nichts mehr bedeutet, dass sie nichts fühlt als nur mehr eine Leere in sich. Allerhöchstens kurz nur flammen Gefühle auf, die aber geradezu schlagartig auch wieder verpuffen. Vielleicht empfindet sie vielmehr Phantom-Gefühle, weil sie NOCH weiß, wie sie sich (einst) angefühlt haben?
    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage, dass sie nun (nach zehn Jahren) wieder “Zuhause” ist. Ich frage mich wirklich, ob Kanemô vorher überhaupt ein wirkliches Gefühl für “Zuhause” hatte. Ich möchte es fast bezweifeln, da sie unter prekären Familienzusammenhängen aufgewachsen ist und dann mit nicht einmal sieben Jahren in den Mondtempel gekommen ist, wo sie ebenfalls wohl kaum die Liebe und Zuneigung erfahren hat, die man eigentlich in diesem Alter für eine gesunde Entwicklung erwarten dürfte. Dementsprechend kann sie sich also kaum an ein richtiges “Zuhause”-Gefühl erinnern. Lediglich die zärtlichen Erinnerungen zu ihrer Mutter sind noch in ihrem Gedächtnis gespeichert – wie lange, möchte man fragen. Ohne ihre Mutter wird sie also sicherlich kaum WIRKLICH Zuhause sein.
    Ich stimme Luc auch in diesem Punkt zu, dass Kanemô eine trostlose Zukunft bevorsteht, wenn sie ihr Herz nicht zurückbekommen sollte. Anderenfalls gibt es nur eine Lösung für sie, die du selbst so wunderschön formuliert hast: “Der Tod ist eine Reinigung.” Erst im Tod kann sie wieder zurück zu sich selbst finden. Erst im Tod kann sie überhaupt sie selbst sein. Wenn!

    Ich habe mich im Vorfeld gefragt, wie man die Leere in Kanemô beschreiben soll. Wie beschreibt man etwas, das de facto gar nicht da ist. Und auch hier hast du die für mich perfekte Lösung geliefert: “Die Leere… Sie ließ nicht einmal Platz für Worte, um zu beschreiben.”

    1. Hallo Kevin!
      Danke für deine klugen Beobachtungen, ich freue mich wirklich jede Woche, von dir zu lesen. :)
      Und es stimmt, Kanemô hat tatsächlich “Phantomgefühle”, wie du es so schön auf den Punkt bringst. Ich denke, ohne echte emotionale Reaktionen verhält man sich noch, wie man es bisher getan hat, weil die Gewohnheit noch da ist. Und weil es gewisse Normen gibt, gegen die zu widerstoßen selbst eine emotionale Motivation nötig wäre. Aber ich musste beim Schreiben wirklich ständig überlegen, wie Kanemô sich nun verhalten würde.
      Es tut mir ein bisschen leid, dass es so viele Cliffhanger gibt! Eigentlich finde ich das auch gemeint, und wenn man das Buch vor sich hätte, könnte man ja auch einfach weiterlesen. Aber sie unterlaufen mir beim Schreiben irgendwie immer … (hehehe)
      Zu Kanemôs Mutter kommt noch etwas, aber ein bisschen anders, als man vielleicht denkt. Oh! Und ich habe wirklich mein Bestes gegeben, einen guten Ausgang für Kanemô zu finden. Mehr darf ich wahrscheinlich nicht verraten, aber sagen wir so: Ich wollte niemanden nach dem Lesen deprimiert zurücklassen. Nicht deprimierter, als auch irgendwie wohlig und angemessen ist. :D

    2. Moin Moin,
      (etwas spät, aber besser spät als nie :-D )
      Kevin, Phantom-Gefühl, genau nach dem Wort hatte ich gesucht, um festzuhalten wie Kanemô reagiert und handelt. du hast das treffend beschrieben. Denn genauso empfand ich das beim lesen auch. Man handelt so, weil man weiß das es so richtig ist und nicht aus einem Gefühl herraus.

      Weiter beim lesen hatte ich aber auch das Gefühl, das sie mit jedem Stück etwas mehr von sich weg gab, also von ihren Gefühlen weg gab. So als würde man in kleinen Stücken ein Puzzel das vorher ein ganzes war, nun immer mehr in einzelteile zerlegt und die Teile verschwinden, so das man das Puzzel nicht mehr zusammen setzten kann. Also jedes Stück Gefühl, nach und nach in ‘Vergessenheit’ (kann man das so sagen? ) gerät.

      Also, an dieser Stelle würde ich sagen, Jenny du hast es geschafft, die Neugierde in mir nur noch weiter zu Steigern ;-)
      Ich stürze mich mal direkt auf das Nächste Kapitel :-)

      Grüßle
      Taroru

  7. Erst einmal bin ich froh, dass im Tempel „nur“ die Oberpriesterin umkam, und nicht Kamenôs Freundinnen. Und vor allem, dass sie sie nicht selbst aus irgend einem Grund umbringen musste. Meine düstere Vorahnung trat also (noch?) nicht ein.

    Im Gegenteil: auch wenn sie nicht mehr das gleiche für ihre Freundinnen empfand, hat sie trotzdem „das Richtige“ getan, und sie gerettet (so wie die anderen Priesterinnen).

    Die Angst los zu sein, ist toll. Aber im Gegenzug auch an nichts mehr wirklich Freude zu empfinden ist den Tausch nicht wirklich wert, und ich stelle mir Kanemôs Zukunft ziemlich trostlos vor.

    Hmm… Tel 1 hielt an ungünstiger Stelle auf. Gerne hätte ich noch die Zusammenkunft mit dem Rebellenführer erlebt ;-)

    1. Lieber Luc, guten Morgen!
      Keeeeine Sorge, der Rebellenführer taucht noch auf! Das Zusammentreffen von ihm und Kanemô wird wieder ein Schock-Kapitel, nur als Vorwarnung. Aber davor gibt es noch eine kleine Verschnaufpause, und ich hoffe, dass man die zweite Hauptfigur Laurien dabei ins Herz schließen kann …

      Alles Liebe und schönen Sonntag dir!

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