18. Juli 2021

Kalt wie Schnee, hart wie Eisen

Teil zwei – Kapitel 1

Gemütlichen Sonntag wünsche ich euch! Heute geht es endlich mit Teil 2 weiter – und ihr werdet Laurien kennenlernen, die zweite Hauptfigur des Romans. Ich bin wirklich gespannt, was ihr zu ihr sagen werdet. Sie ist ganz anders als Kanemô, lag mir aber mindestens genauso am Herzen. Aber ich will gar nichts vorwegnehmen – ohne weitere Umschweife, hier kommt Laurien!

*

*

Ein Gesicht

1.

Laurien stand auf den Trümmern des Stadtwalls, den die Rebellen mithilfe des Elfenheeres drei Tage zuvor überwunden hatten, um Ivenhall zu erobern. Das Herz des größten Menschenreiches aller Zeiten war unter ihrer Kontrolle – von den Lehmhütten der unteren Viertel bis hinauf zu den Prachtbauten und Lustgärten der Noblen und dem marmorgrünen Palast des Königs mit dem unheimlichen Eisenturm, auf dem der Zauberkessel thronte wie eine leere Augenhöhle. Die aus Flicken genähten und rot gefärbten Fahnen der Rebellion wehten über Wassertürmen, Marktplätzen, den Dächern der Tavernen und sogar dem Eisenturm. Laurien war, wie viele der Rebellen, bis zum Zauberkessel emporgestiegen und hatte ihn sich angesehen. Sie hatte förmlich gespürt, dass das aus Eisen gewachsene riesige Gefäß eine Öffnung in eine andere Welt war. Der Wind verfing sich in seinem tiefen schwarzen Bauch und wehte als seufzende Geisterstimmen über den Palast, fremdartiger als alles, was Laurien je gehört hatte. Diese Echos bereiteten ihr allerdings weniger Unbehagen als das Klirren von Waffen und die Frauenschreie, die immer noch gelegentlich aus den Gassen hallten und ihr nachts den Schlaf raubten.

Im Moment hatte sie der Stadt jedoch den Rücken zugekehrt. Sie betrachtete das Land. Scheiterhaufen brannten jenseits der Schlucht, die Ivenhall umgab und voller Felsspitzen war, weshalb man sie Katzenrachen nannte.

Es hatte viele Tote gegeben. Weil die Menschen hier glaubten, im Kampf Gefallene dürften nicht in der Erde begraben werden, wurden Tag und Nacht Leichen verbrannt. Der Wind strich Lauriens von Zöpfen durchzogenes, langes Haar zurück und fühlte sich wie eine ungewohnte Liebkosung auf ihrer rechten Gesichtshälfte an, die von Kriechglut entstellt war. Normalerweise versteckte sie die Verbrennungen, so gut es ging, unter ihren Haaren. Aber hier war niemand, der sich vor ihrem Aussehen erschrecken könnte. Sie atmete tief die kalte Luft ein. Versuchte unter dem Geruch von Rauch und Blut die Düfte wahrzunehmen, die der Wind von den herbstlichen Hügeln im Norden mitbrachte, wo das Land freundlicher war als das felsige Ivenhall. Fast gelang es ihr.

Es war noch immer merkwürdig, von der Stadt aus aufs Land zu blicken – plötzlich den Blickwinkel der Feinde einzunehmen. Sie hatten wirklich gesiegt. Nachdem Laurien drei Jahre mitgekämpft und mehr verloren hatte, als in Worte zu fassen war, ließ sich diese Tatsache nicht leicht begreifen. Sie wartete noch darauf, Glück zu empfinden. Aber es war, als bremse Verwunderung ihre Freude. Vielleicht sogar eine Art Bestürzung. Sie wusste nicht, weshalb.

Drei Reiter auf zierlichen grauen Pferden tauchten aus den Wäldern auf. Sie steuerten geradewegs auf Ivenhall zu. Nicht nur an den Pferden, auch an den farbwechselnden leichten Umhängen erkannte Laurien, dass es Hohe Elfen aus Madgar Yhs sein mussten.

Sie sprang die Trümmer hinab und eilte über eine der Brücken, die intakt geblieben waren. In der Schlucht unter ihr war an klaren Tagen manchmal das Wasser zu sehen, das aus den schroffen Gebirgen kam, in weiter Tiefe durch den Katzenrachen floss und sich dann in zahlreichen Strömen – den Iven – durchs Land zog. Doch meistens lag die Schlucht im Nebel, heute stieg zusätzlich noch beißender Qualm wie der Atem eines wahren Monstrums empor, denn kochendes Öl und Kriechglut waren während der Schlacht hinabgeronnen und verschmorten die Toten, die niemand aus der Tiefe bergen wollte.

Auf der Königsstraße ging sie den Reitern entgegen – das Haar vorgestrichen und den Kopf ein wenig eingezogen, um ihre Entstellung zu kaschieren. Zahlreiche Menschen und Elfen aus den Lagern der Rebellen ringsum hatten sich versammelt, um die Neuankömmlinge zu empfangen, darunter Savionne, Anführerin der Wasserklingen und ranghöchste Schwertkämpferin des elfischen Heeres direkt nach Laurien. Die Kriegerin zwinkerte Laurien zu und schnalzte mit der Zunge, als sie sie entdeckte. Obwohl Laurien ihre Befehlshaberin war, hatte Savionne in gewisser Weise eine mütterliche Beziehung zu ihr – oder zumindest Narrenfreiheit –, denn sie war fast doppelt so alt wie Laurien und kannte sie seit ihrer Geburt.

Die drei Reiter waren, wie Laurien vermutet hatte, keine Krieger, obwohl ihre Reisegewänder sich kaum vom typischen Waffenrock des Elfenheeres unterschieden. Es waren drei der zwölf Weisen vom Brunnen, die Madgar Yhs regierten.

In der Mitte ritt Alarion, eine der Ältesten und Einflussreichsten der Weisen vom Brunnen. Obwohl ihr Haar bereits schlohweiß war und ihr langes, hohlwangiges Gesicht voller Falten, saß sie aufrecht und bewegte sich geschmeidig im Sattel. Zu ihrer Linken ritt Gajadis, Alarions Sohn, der selbst kein junger Mann mehr war und eine tiefere Zornesfalte zwischen den Brauen trug als seine Mutter. Zu Alarions Rechten ritt ein Gelehrter namens Niran, das lange, knochige Gesicht umrahmt von einer Flechtfrisur, die recht aufwendig war und Eitelkeit verriet. Niran war sehr jung, so wie Laurien. Vielleicht war es sogar eine noch größere Auszeichnung, in diesem Alter bereits ein Weiser vom Brunnen geworden zu sein als eine Heerführerin. Laurien hatte gehört, dass Niran eine der Sechsunddreißig Fragen der Weisheit beantwortet hatte – die einem den Elfen zufolge die gesamte Welt erschlossen –, als er kaum sechzehn Sommer gezählt hatte. Aber womöglich war das nur ein Gerücht. Laurien bezweifelte, dass die Fragen tatsächlich beantwortet werden konnten. So oder so ahnte sie, dass es für Niran ebenso schwierig war wie für sie selbst, trotz seiner Jugend ernst genommen zu werden, aber sie hatten nie darüber gesprochen. Niran wirkte so, als würde er mit niemandem über allzu Persönliches sprechen.

Die drei zügelten ihre Pferde. Alarion entdeckte Laurien in der Menge und richtete das Wort an sie. „Laurien, Tochter. Und Savionne.“

„Seid gesegnet“, grüßten Laurien und Savionne im Einklang zurück, wobei Savionne sich nicht die Mühe machte, einen spöttischen Tonfall zu überspielen. Es war kein Geheimnis, dass Savionne und die zwölf Weisen vom Brunnen nicht das beste Verhältnis hatten. Ihre Führungsposition im Heer hatte Savionne allein ihrer Beliebtheit bei den Schwertkämpfern zu verdanken – die Weisen vom Brunnen hätten sie nie zur Anführerin einer Legion gemacht.

Mit lauterer Stimme und an die Menge gewandt fuhr Alarion fort: „Die mutigen Menschen haben mithilfe unserer tapferen Elfenkrieger das Böse bezwungen! Nie wieder soll ein Tyrann mithilfe von Bestien herrschen. Lang lebe die Rebellion!“

Jubel erscholl, aber Laurien konnte hören, dass es eher Höflichkeit war. Die Weisen vom Brunnen hatten nicht mit ihnen gekämpft, sondern das Geschehen aus der Sicherheit von Madgar Yhs verfolgt. Für die Menschen standen sie für die Entrücktheit und Zwielichtigkeit, die man den Hohen Elfen nachsagte. Vor der Rebellion und bevor König Sagamenon in seinem Wahn alle Elfen im Reich hatte verfolgen lassen, waren es die Weisen vom Brunnen gewesen, die mit Sagamenon paktierten – obwohl er schon damals die Territorien unterdrückte, die nun gegen ihn aufbegehrt hatten, und obwohl es eine lange Tradition der Könige von Ivenhall war, ihre Untertanen mithilfe der Bestien zu beherrschen.

„Wir sind gekommen, sobald der Weg frei war, um mit euch allen auf den Trümmern des Großreiches zu feiern“, fuhr Alarion fort, wobei Laurien wahrscheinlich nicht die Einzige war, die sich Alarion nur schwer beim Feiern vorstellen konnte. Aber ihre Gedanken waren sowieso woanders.

„Der Weg war frei?“, fragte sie und schluckte.

Alarion richtete ihren klugen, alles durchdringenden Blick wieder auf Laurien. Erst da begriff Laurien, dass ihre Frage falsch gedeutet werden konnte – nämlich als Argwohn, ob die drei Weisen vom Brunnen tatsächlich den weiten Weg von Madgar Yhs zu Pferd zurückgelegt hatten. Schließlich waren die Weisen vom Brunnen bewandert in den Zauberkünsten. Angeblich konnten sie in ihrem Zauberbrunnen Vergangenheit und Zukunft sehen und große Distanzen mit einem einzigen Schritt überwinden. Manchmal hatten sie während der Rebellion tatsächlich Dinge gewusst, die nur so zu erklären waren. Auch die Kleider der drei waren für Reisende erstaunlich sauber … Aber Laurien hatte noch nie erlebt, dass die Weisen sich mit ihren Fähigkeiten brüsteten oder sie auch nur zugaben.

„So ist es: Zwischen der Königsstadt und den Sommerwäldern gibt es kein Land mehr, das die Rebellen nicht erobert hätten“, erklärte Alarion. „Die Truppen von Fürst Githeon sind zwei Stunden Marsch von hier entfernt. Sie waren siegreich.“

Der Jubel, der nun ausbrach, kam von Herzen. Die Truppen von Fürst Githeon, der die Rebellion unterstützte, hatten dem königstreuen Fürst Otana und dessen Männern auf dem Weg nach Ivenhall aufgelauert, damit dieser nicht den Belagerern von Ivenhall in den Rücken fiel. Ihr Kampf hatte sich in den östlichen Bergen abgespielt, doch seit einem halben Mond hatte hier während der Belagerung niemand gewusst, wie es um sie stand. Nun war die Erleichterung groß.

Nur Laurien war wie erstarrt. Sie hatte so sehr um Fürst Githeons Truppen gebangt, dass sie es kaum glauben konnte.

„Lebt der Fürst?“, fragte sie und hoffte, die Antwort auf ihre eigentliche Frage zu erhalten.

„Fürst Githeon und seine Söhne sind wohlauf“, verkündete Alarion.

Laurien konnte ein Aufseufzen nicht verhindern. Zum Glück schien es niemand zu bemerken, denn Savionne klopfte ihr dabei auf die Schulter und überhaupt herrschte fröhlicher Lärm und Durcheinander. Der Fürst und seine Söhne waren nicht gefallen. Perakín, der jüngere seiner Söhne, war wohlauf!

Am liebsten wäre Laurien ihm entgegengeritten. Aber der bloße Gedanke, ihren Übereifer so zur Schau zu stellen, ließ sie erröten. Stattdessen sagte sie: „Bereiten wir alles für den Empfang der Truppen des Fürsten vor. Wir brauchen frische Lager – und ein Festmahl für die Ankunft der ehrwürdigen Weisen vom Brunnen.“

Auf dem gemeinsamen Weg zur Stadt strich sie sich nervös die Haare vor die verbrannte rechte Gesichtshälfte. Es war fast zwei Jahre her, dass sie Perakín getroffen hatte. So vieles hatte sich seitdem verändert. Bestimmt war er nicht mehr der Junge, der sie als Tagtraum so oft begleitet hatte – tagsüber und nachts –, einundzwanzig Monde lang. Sie war ganz sicher nicht mehr dieselbe.

Ihre Nervosität verdichtete sich zu elender Panik.

Er musste davon gehört haben, was ihr zugestoßen war, und dass man sie zur Heerführerin gemacht hatte. Aber er hatte es noch nicht mit eigenen Augen gesehen.

Laurien erinnerte sich genau, wie Perakín vor zwei Jahren in ihr Leben getreten war. Oder besser gesagt, wie er flüchtig hindurchgetreten war, um eine dauerhafte Lücke zu hinterlassen. Der Moment, als ihr seine Bedeutsamkeit klar wurde, war denkbar unromantisch gewesen – sie hatten buchstäblich bis zu den Knien in Unrat gesteckt.

Seit Wochen hatten Frühlingsschauer das Land aufgeweicht. Die Rebellen hatten damals geholfen, die Handelsstadt Kathun am Rand der Sümpfe von Ivenhalls Herrschaft zu befreien. Zwar hatten die Rebellen die Truppen König Sagamenons zurückgeschlagen, aber im Anschluss wurden viele Bewohner der Stadt krank, denn die Brunnen waren verunreinigt. Wegen der Nässe hatte man die Toten nicht rechtzeitig verbrennen können und die Abwasserkanäle waren verstopft oder im Kampf zerstört worden. Sie brauchten dringend eine neue Kanalisation.

Perakín hatte zwar im Kampf nicht so geglänzt wie sein älterer Bruder Gerothen, aber bald wurde allen klar, dass dieser knochige Halbwüchsige die Lösung für das Abwasserproblem finden würde. Er hatte von Anfang an darauf gedrängt, dass der Wiederaufbau der Kanäle Vorrang haben sollte, doch das interessierte im ersten Siegestaumel niemanden. Doch nachdem die Situation sich zuspitzte, wurde Perakín Gehör geschenkt. Er studierte die Baupläne der Stadt, untersuchte die Schäden, kalkulierte das Material, das zur Verfügung stand, und entwarf unterirdische Schächte und Aquädukte, die effizienter waren als jene, die zerstört worden waren.

Laurien war damals nur ein Silberschwert unter dem Befehl ihres ehemaligen Lehrmeisters und Heerführers Faisah gewesen. Die Ereignisse, die sie zur jüngsten Heerführerin aller Zeiten machen und ihr das Gesicht kosten würden, lagen noch in der Zukunft. Sie zählte gerade sechzehn Sommer und hatte bisher gegen mehr Strohpuppen gekämpft als gegen Menschen und Bestien, auch wenn sie die Erfahrung des Tötens in diesem Frühling gemacht hatte, jene bleischwere Einsicht, die nicht sehend macht, sondern blind. Sie hatte Perakín einige Male getroffen und davon gehört, dass man ihm den Bau neuer Kanäle überantwortet hatte, was ihr verwunderlich vorgekommen war. Immerhin zählte er nur wenige Jahre mehr als sie und wirkte um einiges jünger. Auf dem Schlachtfeld hatte sie nicht besonders viel von ihm gehalten. In vollem Rüstzeug und auf dem großen Rappen machte er weniger her als sie, die wie alle elfischen Schwertkämpfer einen leichten Waffenrock aus Marué trug und ihr wendiges graues Pferd nur bei seltenen Kampfmanövern in die Schlacht ritt. Hätten Perakín nicht stets die Ritter seines Vaters umgeben, wäre er vermutlich in der ersten Schlacht gefallen – daran zweifelte Laurien auch später nicht, als ihr Blick auf ihn nicht mehr ganz so nüchtern war wie zu Beginn.

Sie wurde eingeteilt, bei dem Bau der Kanäle zu helfen. Es war bei Weitem nicht das Schlimmste, was sie hatte tun müssen, seit die Elfen die Rebellen gegen König Sagamenon unterstützten. Am ersten Morgen sammelten sich die Helfer um Perakín, der statt eines Schwertes Papierrollen und Maßstäbe im Gürtel stecken hatte. Er malte mit einem Stock in den Schlamm, um viel zu detailreich zu erklären, was sie tun würden, und blickte immer wieder auf, um zu fragen, ob alle einverstanden seien oder Ideen zur Verbesserung hatten. Keiner hatte Ideen zur Verbesserung. Laurien überkam die Gewissheit, noch nie jemandem wie diesem Jungen begegnet zu sein. Aber seit sie im Krieg war, erlebte sie fast täglich Dinge, die sie sich zuvor nicht einmal hätte vorstellen können.

Sie begann mehr über ihn nachzudenken, als die Bauarbeiten losgingen und Perakín nicht, wie sie erwartet hatte, bei seinen Papieren blieb, sondern mitanpackte. Bisher waren die Adeligen des Menschenvolks, die Laurien kennengelernt hatte, noch hochnäsiger gewesen als die Weisen vom Brunnen in Madgar Yhs. Perakín schien sich seines Standes nicht bewusst zu sein oder es scherte ihn nicht im Geringsten. Mehr noch, Laurien bemerkte, dass ihm auch der Rang der anderen nichts galt. Er behandelte die Rebellen ebenso freundlich wie Helfer aus der Stadt oder die Elfen. Ja, sogar die Elfenkriegerinnen behandelte er wie jeden anderen. Laurien hatte noch keinen Menschen getroffen, den die Tatsache, dass elfische Frauen ebenso kämpften wie Männer, nicht entweder verängstigt oder amüsiert hätte oder beides. Perakín wich ihnen nicht aus, er gaffte sie nicht an, er gab keine dummen Kommentare ab. Er war schlicht und ergreifend freundlich. Laurien kam zu dem Schluss, dass er zu jenen rar gesäten Leuten gehörte, die komplizierteste Angelegenheiten sofort begriffen, aber die offensichtlichsten Dinge nicht einmal wahrnahmen.

Dennoch konnte sie mit diesem Urteil nicht ihre Gedanken über ihn abschließen. Sie beobachtete ihn, wie er unermüdlich arbeitete, wie er sich Zeit nahm, jedem zuzuhören, wie er sich von keinem Unsinn und keinem Hindernis aus der Ruhe bringen ließ. Wenn etwas nicht funktionierte, begann er an einer Locke seines dunklen Haares zu zupfen und beugte sich über seine Pläne, bis er schließlich aufsprang und mit einem ruhigen, aber strahlenden Gesicht verkündete, dass er vielleicht eine Lösung habe. Er kam ihr hier, im Krieg, so fehl am Platz vor … und zugleich war alles an Perakín richtig. Ja, die Umgebung war falsch, das offenbarte sich in seiner ganzen Richtigkeit. Während alle ihren Zorn gegen König Sagamenon schürten, sich rächen wollten und vernichten und umstürzen, wollte er etwas bauen, damit die anderen nicht in ihrem eigenen Dreck zugrunde gingen. Und er freute sich. In seinen Augen – schöne tiefblaue Kinderaugen – stand stets ein Lächeln. Dieses Lächeln hatte nichts Zynisches im Angesicht des Elends, das sie umgab; er schien bloß etwas anderes zu sehen als die anderen. Etwas, das größer war und wichtiger und besser als ihr Krieg.

Die Wahrheit war, dass Laurien auch unabhängig von ihm begann, an der Herrlichkeit der Rebellion zu zweifeln. Sie ertappte sich dabei, wie sie Kindern beim Spielen zusah, Katzen beim Schlafen und Maiglöckchen beim Wachsen, und in alldem mehr Sinn erkannte als in ihrem hehren Ziel, die Territorien von der Herrschaft Ivenhalls zu befreien.

Doch dann kam der Tag, an dem sie begriff, dass Perakín ihr noch mehr bedeutete als spielende Kinder, schlafende Kätzchen und blühende Maiglöckchen. Sie waren gerade dabei, die Trümmer der zerstörten Stadtmauer abzutragen, um einen Kanal freizulegen. Die Steinquader waren schwer wie Pferde und der Regen machte sie glitschig. Mit einem Mal gab es einen Rutsch; die Steinbrocken polterten zur Seite. Der Kanal öffnete sich und ein Sturzbach aus Abwässern drang hervor. Innerhalb weniger Augenblicke vermischte sich der stinkende Schlamm mit Regen, Erde und der Asche der letzten Schlacht zu einer Brühe, in der sie bis zu den Knien versanken. Fluchend fuhren sie fort, die Steine beiseitezuräumen, damit das Abwasser in eine Sickergrube abfließen konnte. Und während alle murrten und ächzten, begann Perakín mit seiner Halbwüchsigenstimme, die an den höchsten Tönen brach, zu singen:

„Lasst die Schaufeln, legt sie weg.

Mein Mädchen ist nur kühl im Schlaf.

Was hat das Schaufeln für einen Zweck?

Mein Mädchen braucht doch noch kein Grab!“

Alle lachten und begannen im Chor das Lied des Liebhabers zu singen, der den Tod seines Mädchens nicht wahrhaben will, während sie ein Grab für den Unrat aushoben. Irgendwer fing an, den Unrat Ludmilla zu nennen, und bald witzelten sie über Ludmilla, die mächtig stinkende heimliche Herrin der Stadt, die nicht so tot war, wie manch einer glaubte. Dass dieser Witz ziemlich dumm war, amüsierte sie nur umso mehr. Sie alle sehnten sich nach etwas Leichtigkeit.

Drei Reiter kamen an der Stadtmauer entlang. Es waren Fürst Githeon und dessen Sohn Gerothen in Begleitung eines Mannes, den Laurien noch nie gesehen hatte. Seinem schlammverkrusteten Rüstzeug nach musste er ein Ritter sein – und von einer langen Reise kommen.

„Perakín!“, rief Gerothen.

Perakín hielt in der Arbeit inne, als er seinen Bruder hörte. Die drei Reiter zügelten ihre Pferde in gebührendem Abstand zu dem Dreck.

„Vater“, grüßte Perakín, wie es sich gehörte, dann wandte er sich an den Fremden: „Mosgar! Sei gegrüßt. Was führt dich so weit fort von zu Hause?“

An den Mienen der drei war abzulesen, dass der Grund kein erfreulicher war.

„Was ist passiert?“, fragte Perakín.

„Deine Schwester“, erklärte Fürst Githeon. Sein Atem dampfte in der Luft. „Sie wurde geraubt.“

Nur das Regenprasseln war zu hören.

Schließlich fuhr Gerothen fort: „Fürst Korigans Schergen haben sich in die Festung geschlichen und sie entführt. So wollen sie uns zwingen, die Waffen niederzulegen und die Rebellion zu verraten!“

Wieder trat Schweigen ein. Laurien sah, dass Perakín die Fäuste geballt hatte.

„Also greifen wir Fürst Korigan an!?“, fragte Perakín – es klang mehr wie ein Befehl als eine Frage.

„Wir werden die Waffen nicht niederlegen“, erwiderte Fürst Githeon, „und wir werden Korigan nicht angreifen. Wir ziehen mit der Rebellion weiter nach Ivenhall.“

„Aber Aritamé“, wand Perakín ein.

„Aritamé würde wollen, dass wir weiterkämpfen“, bestimmte Githeon mit einer Härte, die wohl auch gegen seine eigene Verzweiflung gerichtet war. „Wir werden weiterkämpfen wie geplant. Und hoffentlich Kriegsgefangene machen, die wir gegen sie eintauschen können.“

Perakín schluckte. „Vater, gebt mir vier Truppen, und ich finde einen Weg, Aritamé zu befreien.“

Githeon kniff die Augen zusammen, als tue Perakíns Zuversicht ihm weh. Er schüttelte den Kopf.

„Wie denn?“, höhnte Gerothen. „Willst du einen Kanal in die Festung von Fürst Korigan graben?“

„Ich werde mir eine Strategie überlegen, wenn du das meinst, ja“, gab Perakín zurück.

„Nein. Wir können keine vier Truppen entbehren“, lehnte Githeon ab. „Dass wir uns aufteilen und angreifbar machen, ist genau das, was König Sagamenon und sein Schoßhund Korigan wollen.“

Perakín wandte sich abermals an den Ritter, den er Mosgar genannt hatte: „Wie viele Männer haben wir auf der Burg?“

„So viele, wie zurückgelassen wurden, weniger meiner. Bei der Entführung der Herrin Aritamé wurden nur ein Stalljunge und zwei Dienerinnen getötet.“

Perakín schien zu überlegen, was er mit der Anzahl von Männern anfangen könnte.

„Perakín“, mahnte Githeon. „Ich wollte, dass du es nicht viel später erfährst als wir. Darum bin ich gekommen. Nicht, um dich auf dumme Gedanken zu bringen. Hörst du? Bleib bei dem, was du kannst. Das ist ein Befehl!“

Der Fürst wendete sein Pferd und preschte durch den Regen davon. Sein ältester Sohn und sein Ritter folgten ihm. Die Blicke der Arbeiter lagen auf Perakíns gebeugten Schultern. Lange stand er so da, im Unrat und Regen, und rührte sich nicht. Dann schaufelte er weiter. Auch die anderen setzten ihre Arbeit fort, doch niemand sang mehr.

Als es dunkel wurde und Zeit, sich auszuruhen, entzündete Perakín Fackeln. Er arbeitete weiter. Nach und nach gingen die anderen, um sich zu waschen, etwas zu essen und zu ruhen. Nur Laurien blieb. Sie brachte es nicht über sich, ihn allein zu lassen. Sie wollte etwas sagen, aber sie wusste nicht was. Oder etwas fragen, aber auch da fiel ihr nichts ein. Also schaufelte sie weiter, so wie er, schwer atmend, sich den Regen aus den Augen wischend, ganz und gar ratlos. Er schien nicht zu bemerken, dass sie da war. Doch das war kein Grund zu gehen.

Irgendwann, es musste tiefste Nacht gewesen sein, kletterte er aus dem Loch und kniete sich davor wie ein Trauernder an ein Grab. Laurien beobachtete den Umriss seines Rückens, ob er schluchzte. Aber er blieb ganz reglos.

Sie setzte sich neben ihn. Und als sie sicher war, dass seine Nähe ihn nicht störte, sagte sie: „Meine Mutter ist gestorben. Ich konnte sie nicht retten.“

Er sah sie nicht an und sprach ihr auch nicht sein Beileid aus, wofür sie dankbar war. Er fragte nur: „Wie?“

Sie hätte beinah die Schultern gezuckt. Sie hatte sich angewöhnt, ohne Gefühle an ihre Mutter zu denken und auch so über sie zu sprechen, wenn es sein musste. „Sie war eine Nachtelfe – eine von jenen, die nicht in Madgar Yhs geboren sind und in den Ländern der Menschen oder den Sümpfen leben. Auch ich bin nicht in Madgar Yhs geboren …“ Sie linste zu ihm hinüber, ob die Offenbarung, dass sie keine Hohe Elfe war, etwas an seiner Miene veränderte, aber das tat es nicht. Sie atmete auf. „Meine Mutter hat sich als Wahrsagerin durchgeschlagen, was eigentlich fast lustig ist, weil ich niemanden kenne, der so sehr die Wahrheit verdrängt und sich selbst belogen hat wie sie. Sie hat viel getrunken … und Violettenkraut geraucht. Als ich klein war, dachte ich, es sei normal, dass eine Mutter den ganzen Tag schläft, dann Zitteranfälle hat, Blut hustet und wirres Zeug redet, weil sie nichts zu rauchen hat. Sie hat mich auch immer gewarnt, dass ich bald eine Vollwaise sein würde. Als ich klein war, machte mir das große Angst. Ich glaubte ihr, wenn sie behauptete zu sterben, und ich hatte schreckliches Mitleid. Aber als ich älter wurde und sie nicht starb, sondern nur kaputter wurde, hatte ich weniger Mitleid.“ Sie grinste freudlos. „Und dann ist sie doch gestorben. Ich habe sie auf dem Boden vor ihrem Bett gefunden. Kein schöner Anblick.“

Er sah sie an, ein zärtliches Funkeln lag in seinem Blick. „Wie alt warst du?“

„Zehn Sommer. Oder neun.“

„Wie bist du ins Heer der Elfen von Madgar Yhs gekommen?“

„Faisah hat mich aufgesucht, unser Heerführer und mein Ausbilder“, sagte sie. „Er bot mir an, die Kampfkünste zu erlernen, und nahm mich mit nach Madgar Yhs. Er hat dafür gekämpft, dass ich bei den Hohen Elfen aufgenommen wurde. Ich verdanke ihm alles.“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Dass sie als Waise mit den Schulden ihrer Mutter ins nächstbeste Bordell verkauft worden wäre, wenn Faisah sie nicht geholt hätte, musste sie nicht aussprechen. Sie dachte nur ungern daran. An die vergitterten Fenster, hinter denen Kinder elfischer und menschlicher Abstammung saßen, das Gelächter von Männern und das Klappern von Bierkrügen im Hintergrund. In ihren ersten Jahren in Madgar Yhs war sie nachts aus Albträumen davon aufgeschreckt. Und auch später noch, als sie ausgezogen war, um die Rebellion zu unterstützen, hatte sie an diese Kinder gedacht, deren Schicksalsgenossin sie um ein Haar geworden wäre und die vielleicht ein neues Leben führen konnten, wenn der König gestürzt und das Großreich zerschlagen war. Das wünschte sie sich mehr als alles andere in diesem Krieg.

„Jedenfalls habe ich versucht, meine Mutter zu beschützen, aber es war nicht möglich. Ich hätte nichts für sie tun können. Und trotzdem … fühle ich mich schuldig. Nicht nur an ihrem Tod. Auch an ihrem traurigen, sinnlosen Leben.“

Er atmete hörbar aus. „Erzählst du mir davon, damit ich kein schlechtes Gewissen habe, wenn ich meine Schwester im Stich lasse?“

„Nein. Nein … ich erzähle dir davon, weil ich weiß, wie es sich anfühlt, Angst um jemanden zu haben, den man liebt. Meine Mutter war nicht zu retten. Ich glaube, deine Schwester schon.“

Am folgenden Abend war Laurien wieder die Letzte, die noch mit Perakín zusammen arbeitete. Als sie stumm für einige Zeit geschaufelt hatten, ging er weg und holte die eiserne Truhe, in der er seine Papierrollen aufbewahrte.

„Laurien“, rief er sie so leise, dass sie ihn im Regen fast überhört hätte.

Sie wunderte sich, dass er sich an ihren Namen erinnerte, denn sie hatte sich nur ein Mal vor Wochen vorgestellt. „Ja?“

„Bitte, komm.“

Sie kletterte zu ihm nach oben. Er stellte die Truhe vor ihr ab.

„Bitte nimm die Pläne und sorge dafür, dass alles umgesetzt wird. Ich glaube, dass es so funktionieren müsste.“

„Ich?“, stotterte sie.

„Ich vertraue dir“, sagte er schlicht. „Du bist pflichtbewusst und motivierst die anderen. Vor allem weißt du immer, was zu tun ist.“

Ihre Wangen begannen zu glühen. Abermals wunderte sie sich, dass es keinerlei Rolle für ihn zu spielen schien, dass sie eine Nachtelfe war, eine Frau und noch so jung … Als sehe er einfach über diese Dinge hinweg, die für andere alles bedeuteten. Sie setzte sich auf die Truhe, sodass genug Platz neben ihr war, damit auch er sich setzen konnte. Nach einem Augenblick tat er es. Eine Zeit lang sagte keiner von ihnen etwas.

Dann begann Perakín zögerlich zu sprechen: „Mein Vater unterstützt die Rebellion, weil er das Königshaus von Ivenhall verabscheut. Ich glaube, ihm ist nicht klar, welche Idee der Rebellion zugrunde liegt. Heganen, der Rebellenführer, ist ein Bauernsohn. Mein Vater, ein Fürst, folgt einem Bauernsohn … und er verkennt die Symbolkraft davon. Er sieht nur sich und den König. Die Rebellen nimmt er wahrscheinlich gar nicht ernst genug, um sich über sie Gedanken zu machen. Aber wenn wir siegen, wird nichts so sein wie vorher. Es ist schon jetzt nichts mehr wie vorher.“

„Ihr meint, der Sieg der Rebellion könnte Eurem Vater am Ende schaden?“

„Womöglich. Und doch ist die Rebellion das Großartigste, was die Menschen zustande bringen konnten. Nach meinem Vater soll die Herrschaft über Odia an Gerothen gehen, denn er ist der erstgeborene Sohn. Aber ob es dazu kommt, nachdem die Rebellion blinden Gehorsam und Tradition infrage gestellt hat …“ Er hielt inne, als würde ihm erst jetzt klar, was er gesagt hatte. Gelassen fügte er hinzu: „Ich meine nicht, dass ich Fürst werden will. Ich habe eher gedacht, es sollte einen Rat geben. Mit Aritamé. Sie ist sehr belesen und die klügste Person, die ich kenne. Meine große Schwester.“ Er verstummte gedankenverloren.

„Wenn ein Bauernsohn einen König besiegt, könnte auch die Herrschaft über ein Fürstentum an eine Tochter gehen“, überlegte Laurien und zuckte die Schultern. „Warum ihr Menschen nach solchen merkwürdigen Gesetzen lebt, war mir ohnehin immer ein Rätsel.“

„Ein Fürst muss seine Männer in den Krieg führen können. Und bei uns kämpfen Frauen nicht wie bei euch. Meistens …“, fügte er hinzu, denn es gab durchaus Kriegerinnen unter den Menschen, aber so wenige, dass sie kaum wahrgenommen wurden. „Meine Schwester kann nicht kämpfen. Aber viele Entscheidungen haben nichts mit Kriegsführung zu tun. Wenn es in Odia statt eines Fürsten, der wie ein König regiert, einen gewählten Rat gäbe, so wie bei den Rebellen …“

„Euer Vater wäre sicher entsetzt, wenn er wüsste, wie Ihr denkt.“

„Er weiß, wie ich denke“, sagte er und runzelte die Stirn, als sei es selbstverständlich, ehrlich zu sein, auch wenn es unangenehme Folgen hatte.

Ihr fiel auf, wie hübsch seine Augen waren, wenn er die Brauen so anhob. Der matte Schein der Fackeln umriss sein Profil und seinen regennassen Lockenkopf. Für einen Moment erkannte sie deutlich, wie er als Kind ausgesehen haben musste und wie er als erwachsener Mann aussehen würde, beides gleichzeitig – und es rührte sie auf eine Weise, die neu für sie war.

„Also wollt Ihr Aritamé retten, weil Ihr Eure eigene Rebellion führt“, sagte sie leise.

„Nein. Aritamé werde ich retten, weil sie meine Schwester ist.“

Er erhob sich. Sie fühlte, wie sein Blick sie bis auf den Grund durchdrang. Und dann sagte er: „Du bist besonders. Aber das weißt du. Ich hoffe, eines Tages sehen wir uns wieder. Vielleicht erlebe ich dann, wie du lächelst.“

Das Blut pochte ihr in den Wangen, aber sie blieb todernst. „Auf Wiedersehen, Herr. Alles Gute.“

Alles Gute! Gar nichts zu sagen, wäre besser gewesen. Sie sah ihm nach, wie er durch den Schlamm davonstapfte, die Schultern hochgezogen und den Umhang fest um sich geschlungen. Ein Gefühl durchdrang sie wie ein nach innen hallender Schrei.

Du bist besonders. Aber das weißt du.

Sie wusste es nicht. Sie wusste überhaupt nicht, auf welche Weise sie besonders sein sollte – abgesehen von der zweifelhaften Auszeichnung, eine Nachtelfe unter Hohen Elfen zu sein. Doch sie fühlte mit der ganzen Gewissheit ihres Herzens, dass sie für ihn besonders sein wollte. So wie seine Schwester, für die er alles stehen und liegen ließ und sogar den Bruch mit seinem Vater in Kauf nahm.

Eines Tages, hörte sie ihn sagen. Das wurde der Funke, der ihre Hoffnung immer wieder entfachte. Eines Tages.

Aber heute, zwei Jahre später, war ein anderer Tag gekommen. Laurien hatte gehört, dass Aritamé tot war, und auch Faisah war tot so wie Tausende andere, und sie selbst hatte anstelle ihres Gesichts eine von der Kriechglut entstellte Fratze.

geschrieben von Jenny-Mai Nuyen - Veröffentlicht in Blog

Kommentare

16 thoughts on “Kalt wie Schnee, hart wie Eisen

  1. Es war sehr aufregend, Laurien kennenzulernen. Besonders spannend finde ich, dass sie doch sehr im Kontrast zu Kanemô zu stehen scheint – umso bereichernder ist dieser Perspektivwechsel! Auch hier finde ich schön, dass man die dazu gekommenen Charaktere mitten im Geschehen kennenlernt. Viele Geschichten fangen oft erstmal etwas ruhiger, langatmiger an. Das mag ich zwar auch gerne, da man sich dann langsam vortasten und schrittweise in die fremde Welt eintauchen kann, gleichzeitig empfinde ich das hier als angenehme Abwechslung und es bewirkt auch, dass man gar keine “Zeit” hat, sich in Ruhe darauf einzulassen – man tut es einfach :D Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich Kanemô und Laurien verstehen werden, und…wo eben nicht… :D

  2. Ich muss sagen, so ein kompletter Charakterwechsel mit dem Start des 2. Teils hat mich damals in Nijura zunächst sehr irritiert. Kannte das bis dahin nicht, hatte bisher nur “lineares” gelesen.
    Allerdings bringt das so viel Mehrwert. Man kann Personen richtig tiefgehend einführen und eigene Handlungsstränge geben, anstatt sie einfach so auftauchen zu lassen.
    Und das ist so ein schöner Kontrast. Eine Rebellin und dazu dann noch ein Fürstensohn, der so recht keiner sein will.
    Das spricht für viel Potenzial und Dynamik innerhalb dieser 3er Konstellation (Also
    Kanemô ,Laurien und Perakín).
    Bin sehr gespannt auf das Zusammentreffen der beiden neuen mit Kanemô. Hach, soviel, was noch unklar ist.

    1. Liebe Lena,
      ich lese auch Geschichten am allerliebsten, in denen mehrere Hauptfiguren aufeinandertreffen. Irgendwie mag ich es, immer wieder in neue Perspektiven gesaugt zu werden. Und beim Schreiben ist das ja sowieso das Größte – jemand anderes werden. Besonders tragisch wird es dann, wenn verschiedene Figuren berechtigte Ansichten haben, die aber unvereinbar miteinander sind. Wenn es also richtig wehtut und die Wahrheit eine schwierige Angelegenheit wird. Das ist doch, was am interessantesten ist! :)

  3. Moin Moin,

    einge ganze Flut an Informationen die man hier bekommt. Alleine die Beschreibungen vom Kriegs geschehen, ohne direkt in einer Schlacht zu sein, und dennoch hat man Bilder von der Schlacht im Kopf, die gewühtet haben muss. Ich finde das ist schon eine Leistung. Manche Infos sind so nebenbei gefallen, und haben dennoch ein Gewicht, was erst beim drüber nachdenken auffallen (oder noch mal lesen XD ) die zeigen und auch erklären wieso Laurien so ist wie sie ist. Auch wie sie Perakin warnimmt, beobachtet und damit uns Lesern die Beobachtung nahe bringt. Ich finde das ist noch mal ein ganz anderer Blickwinkel. Da es ihm selbst gar nicht bewusst ist, wie er wargenommen wird (vor allem, wie sehen die anderen um ihn, ihn selbst, von Laurien mal abgesehen)

    An dieser Stelle kann ich auch nur wieder sagen, das mir bis her alle Sympatisch sind, auf ihre eigene Art und Weiße. Sie wirken schlüssig und nachvollziehbar, in ihrem Handeln und Tun.
    Vor allem bin ich gespannt wie wohl Kanemô und Laurien auf ein ander reagieren, wenn sie sich das erste mal treffen. Bin auf jeden Fall gespannt und freue mich auf mehr :-)

    Grüßle
    Taroru

  4. Liebe Jenny!
    Da schaue ich per Zufall nach so langer Zeit mal wieder auf Deinem Blog vorbei und was entdecke ich da zu meiner unbändigen Freude? Vorab veröffentlichte Kapitel Deines neuesten Buches, den anregenden Gedankenaustausch Deiner treuen Fans und dazu noch Einblicke in Deine faszinierenden Gedanken!

    Ich habe gleich alle Kapitel, die Du hier bisher mit uns geteilt hast, in einem durchgelesen und bin nun noch ungeduldiger auf das Erscheinen des fertigen Buches als bisher. Die Thematik eines wortwörtlich herzlosen Protagonisten ist eine, die mich schon immer fasziniert hat und nicht zuletzt deswegen ist “Rabenmond” mit seinen gefühllosen Drachen bis heute mein Lieblingsroman von Dir ;-)
    Die Beschreibungen des Nebels und der Geschöpfe, die daraus hervorgehen, hat mich sofort in den Bann gezogen – genau so, wie das mMn überzeugende Innenleben Kanemos und ihre Beweggründe.
    Ich kann gar nicht erwarten, ihren weiteren Werdegang zu erlesen!

    Genauso gespannt bin ich nach diesem Kapitel auf das Wiedersehen von Laurien und Perakin. Ich finde ihn in ihrer Erinnerung so sympathisch, dass ich mich wohl bereits nach einem Kapitel ein bisschen in ihn verliebt habe und es schmerzt mich die Vorstellung, dass der Tod seiner Schwester ihn verbittert haben könnte…

    Vielen lieben Dank dafür, dass Du meine Neugier mit diesen Vorabveröffentlichungen zugleich stillst und im selben Moment umso mehr anfachst –
    Deine Lisi

    1. Liebe Lisi,
      das ist doch ein schöner Zufall! Und es freut mich sehr, dass die Geschichte dir auch noch gefällt. Hast du etwa alles in einem Rutsch gelesen? Mein Gott!
      Bis zum Erscheinen des Romans ist es ja auch nicht mehr lange hin, und wer weiß, vielleicht bist du ja unter den Gewinnern der Bücher, die verlost werden. :)

      Gemütlichen Abend wünsche ich dir.

  5. Ich bin gespannt auf Perakin und seine Beziehung zu den beiden Protagonistinnen. Der Klappentext zusammen mit diesem Kapitel deutet da ja schon auf einige Komplikationen zwischen den dreien hin…
    Ich hoffe, es gibt ein Happy End für alle! (Anders als für Aritamé…)
    Danke, dass du die ersten Kapitel schon mit uns teilst!
    Liebe Grüße,
    Nati

    1. Liebe Nati,
      danke für dein Feedback! Und ja, in der Tat, es wird Komplikationen geben! Sonst wären 400 Buchseiten schwer zu füllen. :D Aber keine Sorge, ich habe mir diesmal wirklich Mühe gegeben, meine Figuren vor einem bösen Ende zu beschützen …

  6. Mit Laurien kommt also eine Rebellin und eine Kriegerin ins Spiel! Sie ist wirklich eine ganz andere Person als Kanemô. Sie wirkt unsicherer auf mich. Ich wünsche ihr sehr, dass ihre Liebe zu Perakín nicht enttäuscht wird und dass er sich in den zwei Jahren nicht zu sehr verändert hat. Auf das Wiedersehen zwischen den beiden bin ich nun sehr gespannt.
    Schade, dass Perakíns Schwester es anscheinend nicht geschafft hat. Sie klingt als wäre sie auch eine interessante Persönlichkeit gewesen …
    Liebe Grüße und bis nächsten Sonntag :)
    Carina

    1. Liebe Carina,

      ich bin auch gespannt, was ihr zu Perakín sagen werdet! Er war eine der wenigen Figuren, bei der ich sehr stark an einen realen Menschen denken musste. Natürlich ist er doch eigenständig und anders geworden, aber es gab sozusagen eine Vorlage, die mir viel bedeutet hat.
      Und mir ist immer wichtig, dass gerade die Figuren, die nicht selbst in Erscheinung treten oder die sterben, besonders und anziehend sind. Dann ist ihr Fehlen umso schmerzlicher. Ich bin eben durch und durch eine Nostalgikerin, schätze ich. ^^

  7. Also, normalerweise müsste ich jetzt ja vom Perspektivenwechsel genervt sein, aber das Kapitel mit Laurien konnte mich wirklich unglaublich schnell in seinen Bann ziehen. Normalerweise tue ich mich anfangs mit neuen Personen (oder auch überhaupt neuen Büchern) immer erst etwas schwer, bis sich “drin” bin.

    Sehr interessante Heranführungsweise, dass wir Laurien gleich “mitten drin” kennen lernen, mitten nach der großen Schlacht, ohne etwas über sie zu wissen. Erst nach und nach erfahren wir dann, dass sie ein Heer angeführt hatte, und dann erst, dass sie eine Elfe ist.

    Richtig beeindruckt bin ich aber vor allem von Perakín. Sehr vieles an seiner Persönlichkeit spricht wirklich für einen sehr tollen Menschen: Dass er sich mehr Gedanken über ein Abwassersystem macht, als um eine Schlacht. Dass er bereit ist, sich selbst die Hände mit schmutzig zu machen. Dass er Leute nicht nach ihrem Rang und ihrer Herkunft beurteilt, sondern erst einmal jeden einfach nur als Person. Dass er Menschen motivieren kann. Und natürlich auch, dass er seine Schwester nicht aufgeben will.

    Es spricht aber auch für Laurien, dass sie sich eher für jemanden interessiert, der ein Abwassersystem aufbauen will, als für die großen Kriegshelden. Und auch sie war ja bereit, sich die Hände schmutzig zu machen. Und zeigte sich auch einfühlsam, als Perakín einen schweren Schlag erlitten hatte. Insofern habe ich auch Laurien sehr schnell in mein Herz geschlossen.

    So wie Perakín beschrieben wurde, braucht sich Laurien wohl keine allzu großen Sorgen zu machen, dass ihr entstelltes Gesicht ihn verschrecken würde. Er scheint mir nicht die Art von Person zu sein, die sehr viel auf solche Äußerlichkeiten geben wird, genau wie er sich nicht interessierte, dass sie “nur” eine Nachtelfe ist. Allerdings befürchte ich, dass der Tod seiner Schwester ein herber Schlag für ihn gewesen sein könnte, und er einen Teil seiner Leichtigkeit verloren haben könnte.

    1. Lieber Luc!
      Hallo. :) Es freut mich, dass du mit Laurien schnell warm werden konntest. Es ging mir auch so. Sie und Kanemô stellen für mich spiegelverkehrte Exemplare von Unsicherheit und Härte dar; die eine äußerlich hart und innen unsicher, die andere äußerlich verletzlich und innerlich hart bzw. kalt. Zu verschiedenen Zeiten meines Lebens habe ich mich so oder so gefühlt, wie vermutlich sehr viele Menschen. Wenn man wie Laurien ist, ist man sich selbst immerhin näher, deshalb ist der Zugang zu ihr als Figur wahrscheinlich auch leichter.
      Bei Perakín musste ich mir immer jemanden vorstellen, der in seiner frühen Kindheit gerade genug Liebe empfangen hat, um sie später vervielfältigen und anderen schenken zu können. Ein unsicherer Mensch fragt sich da sofort, ob diese Quelle erschöpflich ist. Können Enttäuschungen, Verluste, ein Krieg seine Liebesfähigkeit “aufbrauchen”? Das war die spannende Frage für mich. Ich wusste am Anfang auch noch nicht, wie Perakín sie beantworten würde. Ich musste mir vorstellen, er zu sein, um zum Ende zu gelangen. Wer weiß, ob ich richtig lag – wenn er glaubwürdig bleibt, war es richtig! :)

  8. Ich muss ehrlich sagen, dass mir Laurien ebenso leidtut wie Kanemô. Sie sind beide unter ähnlichen Bedingungen aufgewachsen, ohne Eltern, und haben sich doch am Ende zu recht unabhängigen jungen Frauen entwickelt, beide körperlich gezeichnet: Laurien mit einer entstellten Gesichtshälfte; Kanemô mit einer Leere dort, wo ihr Herz sein sollte. Anders als Kanemô (im weitesten Sinne) stellt Laurien ihre körperliche „Beeinträchtigung“ jedoch nicht zur Schau, nein, sie versteckt sie nach Möglichkeit unter ihrem langen Haar. Aber warum tut sie das? Es wird gesagt, dass sie niemanden erschrecken will. Mit Blick auf Perakín kommt jedoch auch noch eine gewisse Eitelkeit mit hinein. Ich habe gerade in Bezug auf ihn den Eindruck, dass sie ihm gefallen will. Kann aber auch erstmal nur eine anfängliche Irritation meinerseits sein.
    Die Einführung Lauriens ist auf jeden Fall spannend, wir erleben sie im ersten Moment, wie sie auf den Trümmern des Stadtwalls steht. Einerseits wird auf diese Weise ihr militärischer Hintergrund hervorgehoben, man weiß direkt, dass sie eine tragende Rolle im Krieg eingenommen haben muss. Andererseits kann man die Trümmer auch im metaphorischen Sinne begreifen. Ihr Leben war ein reinster Trümmerhaufen, als sie damals ihre Mutter verloren hat. Sie hat sich hochgekämpft und wird von ihren eigenen Trümmern nicht überrannt. Wieder andererseits könnten sie auch dafür stehen, was sie durch den Krieg noch verlieren wird. Irgendwie bekam ich nämlich den Eindruck, dass Perakín anders zurückkommen wird, als dies von Laurien erwartet oder vielmehr erhofft wird. Ich habe in dieser Hinsicht eine böse Vorahnung, weil ich ihn durch ihre Beschreibung schon als Mann des Wortes, Mann der Einsicht wahrgenommen habe. Als ein Mann, der den Menschen in seiner Umgebung die Leichtigkeit in den schwersten Zeiten geben kann, die sie im Angesicht des Krieges dringend brauchen.
    Damit würde nur wieder einmal deutlich werden, wie viel der Krieg im Leben eines Menschen zerstören kann, ja, gerade ihn selbst zerstören kann, sodass nur noch ein Trümmerhaufen seiner selbst zurückbleibt.

    Konträr dazu hast du, liebe Jenny, die 36 Fragen der Weisheit angesprochen, durch die man sich die gesamte Welt erschließen kann. Wie du dir vielleicht denken kannst, hast du damit meine Neugier nur mal wieder allzu deutlich geweckt. Ich stimme jedoch ungelesen Laurien zu, dass sie womöglich gar nicht beantwortet werden können. Um es mit Kant zu sagen: „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“

    1. Hallo Kevin!

      Das ist eins meiner liebsten Kant-Zitate. Wie recht der liebe Mann hatte. Und ich frage mich übrigens auch, welche 36 Fragen der Weisheit die Elfen formuliert haben! Da sie ein etwas anderes Verständnis von Zeit und Raum haben als die Menschen, sind die Fragen sicher nicht so, wie wir sie stellen würden. Zumindest stelle ich mir das gern so vor. Wie cool es wäre, mal in so einem elfischen Bibliotheksbaumturm zu stöbern …

      Und mit den Trümmern hast du ganz recht. Ich finde oft, dass Rebellionen gar nicht so interessant sind wie die Zeiten danach. Allgemein ist das Danach doch immer der Moment, in dem wir dem Dasein am frontalsten begegnen. Was passiert, nachdem die Szene im Film endet, wenn der Held siegt, wenn das Paar in den Sonnenuntergang reitet? Das, worüber geschwiegen wird, weckt doch eigentlich die größte Neugier. In “Töchter von Ilian” wollte ich unbedingt eine Figur begleiten, die ihre langjährige Rache erfüllt hat, und schauen, was er danach fühlt und mit sich anfängt. Bei Laurien und Perakín war es ein ähnliches Interesse an ihrem Danach. Was mit den Trümmern machen, wenn man alles zum Einsturz gebracht hat? Denn sein wir ehrlich, die Einsturzmomente im Leben sind sehr kurz, die Trümmerphasen machen den Großteil aus. Und darüber zu schweigen, weil es weniger romantisch oder spannend ist, lasse ich einfach nicht gelten. :D

      Oh, und dein Eindruck, dass Laurien Perakín gegenüber eine gewisse Eitelkeit verspürt, ist durchaus nicht falsch! Ich denke, dass sie von ihm etwas will, das sonst ein Tabu darstellt, nämlich als “Frau” wahrgenommen werden.

      1. Hallo Jenny,

        dann habe ich das richtige Zitat ausgewählt. Es ist mir beim Lesen direkt in den Sinn gekommen. Und es verdeutlich eigentlich sehr genau, was für Fragen sich der menschliche Geist wohl stellen würde.
        Insgesamt bin ich ebenso interessiert daran, diese Fragen zu lesen. Wahrscheinlich hätte jede Kultur ihre eigenen Fragen, je nach dem, in welchem Sprach- und Kulturkreis man sich bewegt. Ich denke auch, dass die Fragen in Friedenszeiten andere sein müssen als in Zeiten des Krieges, diese Historizität müsste doch zwangsläufig einen Einfluss auf die aktuellen wichtigen Fragen haben. Ich stelle mir gerade ein lebendiges Buch vor, dass sich veränderten und den Menschen (oder Elfen oder Zwergen) anpasst, in deren Besitz es sich befindet. Vielleicht gibt es innerhalb dieses Fragenkanons ein paar wenige feststehende, die sich noch nie geändert haben. Der Grund dafür, diese Universalität wäre dann das Spannende daran.

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